Die gekaperte Freiheit – Wie Crowleys Gift unsere moderne Kultur zersetzte

Aleister Crowleys "Do what thou wilt" war kein philosophisches Konzept, sondern ein kulturelles Nervengift, das sich in alle Poren unseres Lebens gefressen hat. Queens berühmte Zeile "Nothing really matters to me" aus "Bohemian Rhapsody" wurde zur ungewollten Hymne dieser Haltung - eine perfekte Verdichtung von Crowleys zersetzender Botschaft. Dieses "to me" macht den Kern des Problems deutlich: Es geht nicht um eine allgemeine Sinnkrise, sondern um eine selbstgerechte Kapitulation vor jeder Verantwortung.

Doch hier liegt der große Betrug: Was als ultimative Freiheit verkauft wird, entpuppt sich als gefährlichste Fessel. Denn wenn nichts mehr zählt, zählen wir am Ende auch nichts mehr. Wenn nichts wichtig ist, werden wir selbst unwichtig. Das Leben verwandelt sich in eine endlose Serie gleichgültiger Momente - bunt, aber bedeutungslos; unterhaltsam, aber leer.

In der Filmwelt sehen wir diese Haltung überall: "The Big Bang Theory" zelebriert soziale Inkompetenz als liebenswerte Marotte. Al Bundy in "Eine schrecklich nette Familie" dreht Eheverachtung zur Hauptattraktion, während Alf als chaotischer Außenseiter rücksichtsloses Verhalten als charmante Eigenart verkauft. Diese Figuren leben alle das "Nothing really matters to me"-Prinzip - und wir lachen darüber, ohne zu merken, wie sehr wir uns selbst damit entwerten.

Die Musiklandschaft atmet diesen Geist: Die Rolling Stones' "I Can't Get No Satisfaction" besingt die Leere endloser Begierden. Im Deutschrap wird Frauenverachtung als "Realness" verkauft, während Techno-Bassboxen ganze Stadtviertel mit ihrem "Mir-doch-egal"-Sound terrorisieren. Überall dieselbe Botschaft: Was anderen wichtig ist, geht mich nichts an.

Doch die wahre Freiheit beginnt genau dort, wo wir diese Gleichgültigkeit überwinden. Nicht "Nothing really matters to me", sondern "This matters to me" ist der Schlüssel zu einem erfüllten Leben. Nicht die Abwesenheit von Verantwortung macht uns frei, sondern die bewusste Entscheidung, wofür wir Verantwortung übernehmen wollen.

Unsere digitale Welt wurde zum perfekten Nährboden für diese Haltung. Dating-Apps verwandeln die Suche nach Liebe in ein oberflächliches Wisch-Spiel. Social Media macht Freundschaft zur Follower-Zahl. Der allgegenwärtige "Blockieren"-Button bietet die Illusion: Alles, was mir nicht passt, kann ich einfach ausblenden. "Nothing really matters to me" ist zum digitalen Lebensprinzip geworden.

Doch hier liegt unsere große Chance: Jedes Like, jeder Kommentar, jede Nachricht kann auch ein bewusstes "This matters to me" sein. Die Technologie, die uns trennt, kann auch verbinden - wenn wir sie bewusst nutzen, um Bedeutung zu schaffen statt Gleichgültigkeit zu verbreiten.

Im Alltag sehen wir die Folgen: Scheidungsraten explodieren, Nachbarschaften veröden, Arbeitswelten werden zu Ansammlungen isolierter Ich-AGs. Überall lauern Scheidungsanwälte und Trennungsexperten - eine ganze Industrie, die davon lebt, dass wir verlernt haben, an unseren Bindungen zu arbeiten.

Doch das Leben ist kein vorgefertigtes Produkt, das wir konsumieren. Es ist ein leeres Blatt, das wir jeden Tag neu beschreiben. Jedes "to me" ist eine Entscheidung: Entscheide ich mich dafür, dass etwas keine Rolle spielt? Oder entscheide ich mich dafür, Bedeutung zu schenken?

Die wahre Revolution unserer Zeit beginnt nicht mit einem lauten "Nein" zu gesellschaftlichen Normen, sondern mit einem leisen "Ja" zu konkreten Menschen und Werten. Sie beginnt dort, wo wir "Nothing really matters to me" durch "This matters to me" ersetzen.

Denn am Ende ist das Geheimnis eines erfüllten Lebens nicht die Freiheit von Verantwortung, sondern die Freiheit zur Verantwortung. Nicht "Nothing really matters to me", sondern "Everything matters because we choose to care". Nicht Crowleys Gift der Gleichgültigkeit, sondern die heilende Kraft bewusster Verbundenheit wird uns wirklich befreien.

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